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Der 6. Senat des BFH hat zuletzt mit Beschluss vom 28.10.2022 (Az. VI B 15/22) im Rahmen eines Antrags auf Aussetzung der Vollziehung (AdV-Verfahren) entschieden, dass keine ernstlichen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Höhe der von Gesetztes wegen entstehenden Säumniszuschläge i.S.d. § 240 AO (1% je angefangener Monat der Säumnis) bestünden.

Die Rechtsprechung des BVerfG (Beschluss vom 08.07.2021) im Hinblick auf die Verfassungswidrigkeit der Nachzahlungszinsen i.S.d. § 233a AO sei aus Sicht des Senats mangels Vergleichbarkeit mit Säumniszuschlägen i.S.d. § 240 AO nicht auf diese übertragbar. Säumniszuschläge seien ein Druckmittel eigener Art, um den Steuerschuldner zur rechtzeitigen Zahlung anzuhalten. Abgesehen von der Lenkungsfunktion würden sich die Säumniszuschläge jedoch auch dahingehend von Nachzahlungszinsen unterscheiden, dass der Steuerpflichtige ‑‑anders als bei der Vollverzinsung‑‑ grundsätzlich die Wahl habe, ob er den Tatbestand der Säumnis verwirkliche oder nicht. Auch ließe sich § 240 AO nicht entnehmen, in welchem quantitativen Verhältnis die vom Gesetz verfolgten Zwecke (Druckmittel, zinsähnliche Funktion, Verwaltungsaufwand) zueinander stünden. Ungeachtet dessen, so der BFH, könne jedoch selbst ein gedachter Zinsanteil an den Säumniszuschlägen von 0,5 % pro angefangenem Monat nicht zu ernstlichen Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit des § 240 Abs. 1 Satz 1 AO führen, da ein Säumniszuschlag von 1 % für jeden angefangenen Monat der Säumnis im Hinblick auf die Erzwingung deren rechtzeitiger Zahlung und zur Abgeltung des Verwaltungsaufwands verhältnismäßig und daher verfassungsrechtlich auch unter Berücksichtigung des seit 2014 währenden strukturellen Niedrigzinsniveaus unbedenklich sei.

Mit Beschluss vom 23.05.2022 (Az. V B 4/22) hatte der 5. Senat des BFH in einem weiteren AdV-Verfahren hingegen unter Verweis auf den teilweisen Zinscharakter der Säumniszuschläge ernstliche Zweifel an deren Verfassungsmäßigkeit geäußert, soweit diese nach dem 31.12.2018 entstanden sind. Nach Auffassung des Senats könne die Regelung zur gesetzlich festgelegten Höhe der Säumniszuschläge nur insgesamt verfassungsgemäß oder verfassungswidrig sein.

Somit bleibt die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Säumniszuschläge weiterhin ungeklärt und der Ausgang der derzeit noch anhängigen Revisionsverfahren beim BFH (Az. VII R 55/20, X R 30/21 und VII R 21/21) ist abzuwarten. Bis zu einer abschließenden Entscheidung sollten etwaige Einwendungen gegen die Verfassungsmäßigkeit der Säumniszuschläge nach Beantragung eines Abrechnungsbescheids gem. § 218 Abs. 2 AO i.R.d. Einspruchsverfahrens geltend gemacht und das Ruhen des Verfahrens bis zur abschließenden Entscheidung des BFH beantragt werden.