Betriebsaufgabe i.S.d. § 16 EStG - keine Besteuerung der Einnahmen aus Insolvenzanfechtung als nachträgliche Einkünfte, Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Betriebsaufgabe
Nach derzeitiger Praxis berücksichtigen die Finanzämter betrieblich veranlasste Anfechtungseinnahmen bei Insolvenzverfahren über das Vermögen natürlicher Personen, deren gewerbliche oder freiberufliche Tätigkeit bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vollständig eingestellt ist, im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung regelmäßig als steuerpflichtige nachträgliche Betriebseinnahmen i.S.d. § 24 Nr. 2 EStG. Die auf die Anfechtungseinnahmen entfallende Einkommensteuer wird sodann als Masseverbindlichkeit festgesetzt.
Dem ist das FG Baden-Württemberg mit Urteil vom 28.11.2023 – 8 K 1180/21 nun entgegengetreten und hat entschieden, dass Einnahmen aus Insolvenzanfechtung im Falle der Betriebsaufgabe steuerlich auf diesen Zeitpunkt zurückwirken und keine nachträgliche Betriebseinnahme i.S.d. § 24 Nr. 2 EStG darstellen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Das Finanzgericht hatte wegen grundsätzlicher Bedeutung und Divergenz die Revision zugelassen, die seitens der Finanzverwaltung auch eingelegt wurde. Der Bundesfinanzhof führt das Verfahren unter dem Aktenzeichen X R 4/24.
Sachverhalt
Der Insolvenzschuldner war Restaurantinhaber und ermittelte die Einkünfte i.S.d. § 15 EStG durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung gem. § 4 Abs. 3 EStG. Der Geschäftsbetrieb war bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingestellt worden. Der Insolvenzverwalter hat beim zuständigen Finanzamt auf den Stichtag der Betriebsaufgabe eine entsprechende Aufgabebilanz eingereicht und die Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich in den Folgejahren fortgeführt. Die im Massezeitraum betrieblich veranlassten Insolvenzanfechtungseinnahmen wurden im Jahr des Zuflusses seitens des Insolvenzverwalters als „ertragsteuerneutral“ behandelt. Das Finanzamt berücksichtigte die Einnahmen im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung als nachträgliche Betriebseinnahmen i.S.d. § 24 Nr. 2 EStG und setzte die daraus resultierende Einkommensteuer im Rang einer Masseverbindlichkeit fest.
Entscheidung
Nach Auffassung des Gerichts würden Rückflüsse aus den Insolvenzanfechtungen nicht zu steuerbaren Betriebseinnahmen im Zeitpunkt des Zuflusses führen. Zwar gehe das Finanzamt zutreffend davon aus, dass etwaige nachträgliche Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach Betriebsaufgabe nicht durch Betriebsvermögensvergleich, sondern entsprechend § 4 Abs. 3 EStG zu ermitteln seien (siehe EStH 24.2). Jedoch handle es sich nur bei Einnahmen aus „normalen Geschäften“, die wirtschaftlich durch Vorgänge vor der Betriebsaufgabe/-veräußerung veranlasst sind, um nachträgliche Betriebseinnahmen. Die zivilrechtliche Rückabwicklung vor Betriebsaufgabe vorgenommener Rechtsgeschäfte führe im Anwendungsbereich des § 16 Abs. 3 EStG hingegen stets zur steuerlichen Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Betriebsaufgabe. Der Insolvenzverwalter habe durch die Geltendmachung der Rechte aus der Insolvenzanfechtung, deren Grund bereits vor Insolvenzeröffnung gelegt war, nicht den Gewerbebetrieb fortgeführt, sondern lediglich einzelne vor Betriebsaufgabe getätigte Rechtsgeschäfte mit Rückwirkung auf den Zeitpunkt der vorgenommenen Rechtshandlung rückabgewickelt. Ausgehend von dieser (materiell-rechtlichen) Rückwirkung sei die Insolvenzanfechtung einkommensteuerlich im Ergebnis erfolgsneutral, da der Aktivierung der Forderung eine Passivierung der wiederaufgelebten Verbindlichkeit in der Aufgabebilanz gegenüberstehe. Der später im Laufe des Insolvenzverfahrens erfolgende Zufluss sei daher folgerichtig ein erfolgsneutraler Aktivtausch („Bank an Forderung“), der sich mithin nicht auf den steuerlichen Gewinn auswirke.
Fazit
Insbesondere in Fällen der Betriebsveräußerung und -aufgabe i.S.d. § 16 EStG vor Verfahrenseröffnung sollten Einsprüche gegen die zu Lasten der Insolvenzmasse im Zusammenhang mit Anfechtungseinnahmen festgesetzte Einkommensteuer unter Verweis auf das o.g. Urteil eingelegt werden. Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass die mit den Anfechtungseinnahmen im Zusammenhang stehenden Aufwendungen (z.B. anteilige Vergütung des Insolvenzverwalters, Rechtsverfolgungskosten) insoweit nicht als Betriebsausgabe abzugsfähig sind.